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So kann der Staat privates Kapital für den grünen Wandel fördern

Porträt Ministerin Mona Neubaur

So kann der Staat privates Kapital für den grünen Wandel fördern

Unternehmen sollten für klimafreundliche Investitionen eine Steuergutschrift von 25 Prozent der Investitionssumme erhalten, schlagen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Ökonom Jens Südekum und Unternehmer Paul Niederstein vor.

Politik, Wissenschaft und Wirtschaft – alle wollen die Transformation hin zur Klimaneutralität. Damit uns diese Jahrhundertaufgabe gelingt, müssen wir jetzt so mutig wie rational handeln und mit weitreichenden Investitionen die Voraussetzungen für den Erfolg schaffen.

Die Investitionstätigkeit in Deutschland ist seit mehr als 20 Jahren schwächer als in anderen Industrieländern. Über Jahrzehnte wurde die Infrastruktur kaputtgespart. Die Erneuerung bedeutet daher eine enorme Kraftanstrengung. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, wir könnten uns die Transformation gerade nicht leisten. Das Gegenteil ist richtig: Nichtstun ist teurer. Wenn wir nicht jetzt in Klimaschutz und in nachhaltige Produktion investieren, werden wir abgehängt. Die Märkte der Zukunft erfordern nachhaltige Produkte. Zudem sind die Kosten des Nichtstuns, wie zahlreiche Studien berechnen, viel höher, denn der Klimawandel ist ja nichts Abstraktes. Jede Versicherung rechnet längst mit den Folgen – und das müssen wir auch.

Ohne private Investitionen in unserem Land wird es uns nicht gelingen, die Transformation zu meistern und gleichzeitig Wohlstand für uns und künftige Generationen zu wahren. Aber Realität ist auch, dass es ohne staatliche Unterstützung nicht gehen wird. Die öffentliche Hand steht in der Verantwortung, private Investitionen zu fördern und nachhaltig zu flankieren.

Der Staat kann mit jedem Euro das Dreifache an privatem Kapital mobilisieren

Um die aktuelle Diskussion mit einem konkreten Vorschlag zu füllen, schlagen wir einen Investitions-Booster vor. Er soll zweckgebunden im Grundgesetz verankert werden und damit die nötige Rechts- und Planungssicherheit für Politik sowie Investorinnen und Investoren bieten. Die entscheidende Idee des Investitions-Booster ist ihre einfache und zielgenaue Umsetzung: Jedes Unternehmen, das in eine klimafreundliche Maßnahme investiert, erhält als Investitionszulage über den Abschreibungszeitraum eine Steuergutschrift in Höhe von 25 Prozent des Investitionsbetrages. Auf diese Weise hebelt die öffentliche Hand mit jedem Euro unbürokratisch das Dreifache an privaten Mitteln. Förderfähig sollen grundsätzlich alle Maßnahmen sein, die nachweislich über einen längeren Zeitraum zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen, zum Beispiel Investitionen in Schieneninfrastruktur, Wasserstoffnetze, energetische Gebäudesanierung, Heizungsumbau, Elektromobilität, wasserstoffbasierte Stahlerzeugung, Bildungsmaßnahmen oder Forschung und Entwicklung.

Die Investitionszulage wird auf die nächste Steuerfestsetzung angerechnet und ein Differenzbetrag auch dann ausgezahlt, wenn die Zulage höher als die zu zahlende Steuer ist. Der Investitions-Booster gleicht die Steuermindereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen aus. Er stellt Investitionsmittel über einen langen Zeitraum gleichmäßig und rechtssicher zur Verfügung. So können Handwerk, Industrie und Planungsbehörden verlässlich kalkulieren und ihre Kapazitäten skalieren und wenn nötig ausbauen. Wenn zugleich die Investitionsquote der vergangenen Jahre im Bundeshaushalt festgeschrieben wird, ist auch sichergestellt, dass die Mittel des Investitions-Boosters zusätzlich fließen und nicht lediglich umgebucht werden.

Der Staat kann den grünen Wandel nicht allein finanzieren

Diskutieren müssen wir auch über die Frage, ob als Voraussetzung für die Investitionszulage ein bestimmter Teil der Fertigung „Made in EU“ sein soll. Die Local-Content-Anforderungen des Inflation Reduction Acts sehen eine solche Beschränkung jedenfalls vor. Den Investitionsbedarf in die klimaneutrale Transformation hat die KfW Bank auf rund fünf Billionen Euro beziffert. Neben den ohnehin getätigten Investitionen für den Erhalt des Status Quo entspricht das etwa jährlichen Zusatzinvestitionen von rund 100 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte davon fällt beim Staat für die öffentliche Infrastruktur und zur Hebelung privater Investitionen an. Wir sprechen also von einem Mehrbedarf öffentlicher Mittel in einer Größenordnung von mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr. 

Im engen Rahmen der aktuell gültigen Schuldenbremse ist das nicht möglich. Solch ein Bedarf lässt sich auch nicht durch Steuererhöhungen erzielen, die private Investitionen ja noch zusätzlich belasten würden. Auch die Strategie der Priorisierung stößt angesichts der erforderlichen Höhe in einem jährlichen Haushalt mit bestehenden Aufgabenpflichten an ihre Grenzen. Begleitet würde der Investitions-Booster von einer fairen, konsequenten und sektorübergreifenden CO2-Bepreisung. Sie zeigt die wahren Kosten des Treibhausgasausstoßes und sorgt für Einnahmen, die dann auch voll für eine Kompensation von Privathaushalten zur Verfügung stünden, insbesondere durch ein „Klimageld“.

Mit dem solchen Investitions-Booster können wir Klimaneutralität bis 2045 sichern und zugleich dafür sorgen, dass die Schuldenbremse nicht zu einer „Zukunftsbremse“ wird. Denn nur so erhalten wir die Basis für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstand.