
Wasserpreise und Wasserbenchmark
Nach dem Landeswassergesetz NRW haben die Gemeinden in ihrem Gebiet eine dem Gemeinwohl entsprechende Wasserversorgung sicherzustellen. Unabhängig davon, ob die Gemeinden die Aufgabe unmittelbar selbst mit eigenem Personal erfüllen oder ob sie, was das Gesetz ebenfalls ausdrücklich zulässt, die Aufgabe einem Dritten, zum Beispiel einem privatrechtlich organisiertem Wasserversorgungsunternehmen, überlassen, kommt es bei der leitungsgebundenen Versorgung zu einem sogenannten natürlichen Monopol: In einem bestimmten Gebiet gibt es so gut wie immer nur ein Leitungsnetz und damit nur ein Wasserversorgungsunternehmen als Ansprechpartner für die Kunden. Eine parallele Leitungsverlegung durch Konkurrenzunternehmen wäre in aller Regel zu teuer. Um in dieser Situation die Kundeninteressen zu schützen, ist die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVB WasserV) erlassen worden, die eine Versorgung zu möglichst kostengünstigen und zu weitgehend gleichen Bedingungen sicherstellen soll.
Wie das Trinkwasser beschaffen sein muss, regelt die Trinkwasser-Verordnung. Verantwortlich für die Qualität unseres Trinkwassers sind die bundesweit rund 6.600 Wasserversorgungsunternehmen. In Nordrhein-Westfalen sind es rund 500 Unternehmen, davon etwa die Hälfte privatrechtlich organisiert und somit in der Zuständigkeit der Energiekartellbehörde.
Auswirkungen der Vorlieferantenpreise auf die Wasserpreise
Die Landeskartellbehörde hat am 06.11.2020 ihren Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug veröffentlicht.
Die Landeskartellbehörde kann die Untersuchung eines bestimmten Wirtschaftszweiges durchführen, wenn besondere Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist (sog. Sektoruntersuchung, § 32e des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Diese Branchenuntersuchung richtet sich nicht gegen bestimmte Unternehmen. Vielmehr geht es darum, umfassende Kenntnisse über die untersuchten Märkte zu gewinnen. Diese Kenntnisse sind wiederum eine wichtige Datengrundlage für weitere Verfahren der Landeskartellbehörde. Im Nachgang zur Sektoruntersuchung kann die Landeskartellbehörde auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen ihres Aufgreifermessens Verfahren zur Durchsetzung des Kartellrechts einleiten, wenn sich ein Anfangsverdacht für einen Verstoß gegen Wettbewerbsvorschriften ergeben sollte.
Gegenstand der 2017 eingeleiteten Sektoruntersuchung sind die Marktstruktur und Wettbewerbssituation beim Fremdbezug von Wassermengen, die ein (Wasserversorgungs-) Unternehmen gegen Entgelt von einem Vorlieferanten bezieht. Mit Hilfe des Fremdwasserbezugs decken die Abnehmer ihren Wasserbedarf insgesamt oder anteilig zwecks Weiterverkauf an ihre eigenen Endkunden.
Anlass für die Einleitung der Sektoruntersuchung waren vermehrte Hinweise auf Wettbewerbsbeeinträchtigungen aus der nordrhein-westfälischen Wasserwirtschaft. Im Rahmen von kartellrechtlichen Wasserpreisprüfungen wurden überdurchschnittlich hohe Wasserpreise teilweise mit hohen Fremdbezugskosten begründet. In diesem Zusammenhang wurde vermehrt von den fremdbeziehenden Wasserversorgern konstatiert, dass insbesondere Wasserversorger ohne Eigenförderungskapazitäten kaum Einfluss auf die Fremdbezugskosten nehmen könnten. Im Rahmen von Wasserbezugsverhandlungen mit Vorlieferanten könnten, wenn überhaupt, nur geringe Preissenkungen erzielt werden. Die Verhandlungsmacht sei hier ungleich verteilt. In vielen Versorgungsgebieten gäbe es aufgrund von geografischen, (netz-) technischen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten nur einen einzigen Vorlieferanten, der die benötigten Mengen liefern könne. In Gebieten mit mehreren zur Auswahl stehenden Vorlieferanten sei ein Vorlieferantenwechsel nur mit sehr hohem Aufwand möglich und teilweise wirtschaftlich nicht sinnvoll. Zudem seien die Wasserversorger häufig aufgrund von langen Vertragslaufzeiten langfristig an einen Vorlieferanten gebunden. Die Wasserversorger sind in diesem Segment einerseits „gefangene Kunden“. Andererseits können die Fremdbezugskosten in den Trinkwasserpreis einkalkuliert und somit 1:1 an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden.
Die Sektoruntersuchung verfolgte das Ziel, die vorhandene Marktstruktur und die vorherrschenden Wettbewerbsbedingungen beim Fremdwasserbezug in Nordrhein-Westfalen zu ermitteln. Die Landeskartellbehörde hat dazu in einem aufwändigen Ermittlungsprozess 277 Marktteilnehmer (Vorlieferanten sowie Abnehmer) zu Unternehmensdaten, Informationen über strukturelle Rahmenbedingungen, Kostenstrukturen, Preisen sowie Lieferkonditionen befragt und mehr als 250 Lieferbeziehungen ausgewertet.
Die Sektoruntersuchung hat gezeigt, dass erhebliche Preisdifferenzen bei den Fremdbezugspreisen bestehen. In einigen Regionen mit einem besonders hohen Preisniveau ist nicht auszuschließen, dass Vorlieferanten mit besonderer Marktstellung missbräuchlich überhöhte Fremdbezugspreise setzen und damit gegen das Kartellrecht verstoßen.
Durch die Sektoruntersuchung hat die Landeskartellbehörde entscheidende Fragen zu den Marktstrukturen und Wettbewerbsbedingungen beim Fremdwasserbezug klären können und somit zentrale Ansatzpunkte für eine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht beim Fremdwasserbezug identifiziert. Die Erkenntnisse aus der Sektoruntersuchung sind von grundlegender Bedeutung für die kartellbehördliche Arbeit der Landeskartellbehörde im Wasserbereich. Sollte es in Zukunft substantiierte Beschwerden zu überhöhten Fremdbezugspreisen geben und ein hinreichender Anfangsverdacht bestehen, wird die Landeskartellbehörde den zu Grunde liegenden Sachverhalt mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse prüfen. Der Abschlussbericht erläutert diesbezüglich den maßgeblichen kartellrechtlichen Bewertungsrahmen und bietet den Marktakteuren ein Prüfraster, ob kartellrechtlich relevante Entgelte oder Geschäftsbedingungen vorliegen.